spiegeleier.net | Lesen | Über Spiegeleier

Spiegeleier gelten - zu Unrecht - als das trivialste Gericht in unserer Küche, als Veranschaulichung der Unkenntnis im Kochen. Sie sind in der Tat von der Idee nicht besondes kompliziert, aber offensichtlich kompliziert genug, um ihnen einen Platz in den meisten Kochbüchern zu sichern, die sich mit der in der westlichen Welt üblichen Küche beschäftigen. Sie spiegeln (sic!) teilweise kulturelle Eigentümlichkeiten wieder und sind gelegentlich Anlaß für erbitterte Diskussion um die korrekte Art (Mit Kruste? Gewendet? Eigelb noch flüssig?).

Es wird zusätzlich kompliziert, weil die Profis zwischen Spiegel- und Setzeier unterscheiden. Das, was wir gemeinhin Spiegelei nennen, ist ein Setzei, also ein Ei, das in der Pfanne gebraten wurde. Das Spiegelei hat demgegenüber einen milchigen Spiegel (aha!) auf dem Eigelb, den man erzielt, indem das Ei nicht nur Kontakthitze von unten, sondern auch Umgebungshitze von oben erhält. Das erfordert eine andere Zubereitungsweise.

Selbst hier hört die Verwirrung nicht auf. Ich habe in meinem Kochbuchbestand folgende Rezepte bzw. Hinweise gefunden.

Paul Bocuse

Spiegeleier

Diese Art, Eier zu garen, scheint einfach - doch gibt es eine kleine Schwierigkeit, die man meistern muss, damit die Eier wirklich perfekt gelingen. Das ist der genaue Garpunkt, der eben in dem Moment erreicht ist, wenn das Eiweiß milchig und das Eigelb wachsweich geworden ist. Dabei muss sich letzteres mit einem zarten, glänzenden Schleier überzogen haben, der in der Küchensprache Spiegel genannt wird. Schließlich muss man auch darauf achten, dass die Eier nicht am Boden an- und festbraten.

Zutaten: 2 Eier, 15g Butter, Salz

Zubereitung: Die Hälfe der Butter in einer Pfanne oder einer entsprechend großen, feuerfesten Platte zergehen lassen. Wenn die Butter zu schäumen beginnt, die Eier nacheinander auf einen Teller schlagen, durch den Geruch auf ihre Frische prüfen, in die Butter gleiten lassen und mit der restlichen, weichgerührten Butter begießen. Das Eiweiß mit einer leichten Prise Salz bestreuen. In den gut vorgeheizten Ofen schieben und unter ständiger Überwachung gar werden lassen, damit die oben angesprochenen Ergebnisse erzielt werden. Man kann die Eier zur Not auch auf dem Herd zubereiten, muss sie dann aber ständig mit heißer Butter begießen, die man mit einem TL vom Rande der Pfanne abschöpft.

Setzeier

Die Setzeier sind eine Variante der Spiegeleier. Man läßt die Butter, in die die Eier geschlagen werden, lediglich heißer und haselnußbraun werden. Dadurch wird den Eiern ein besonderer und sehr angenehmer Geschmack gegeben. Nach dem Einschlagen oder Eingleiten der Eier wie für Spiegeleier angegeben verfahren.

Die Neue Küche; Paul Bocuse; Manfred Pawlak Verlagsgesellschaft, Herrsching, 1977

Richard Hering

Setzeier, Spiegeleier (Oefs sur le plat, Oeufs au mirroir)

Für Setzeier die Eier in heiße Butter in Stielpfanne schlagen, nur das Weiße würzen, auf dem herd bei mäßigen Temperaturen fertigmachen. Für Spiegeleier die Eier in eine gebutterte Eierplatte schlagen, nur das Weiße würzen, auf dem Herd anziehen lassen, dann im Ofen fertigmachen, bis das Gelbe mit einem leichten Schleier, dem Spiegel, überzogen ist. Das Eigelb muss weich bleiben. Das Weißei soll vollständig geronnen, jedoch ohne Bratränder sein.

Bei Verwendung von Spezial-Eipfannen muss das Nachgaren beachtet werden.

Die Zuordnung der Setz und Spiegeleier zu den gebratenen Speisen ist falsch, da die Gartemperaturen niedriger liegen und Bratkruste allgemein unerwünscht ist.

Richard Hering; Lexikon der Küche (Anerkanntes Nachschlagewerk für die Hotel- und Restaurationsküche etc.); Fachbuchverlag Dr. Pfanneberg & Co.; Giessen · Leipzig; 1993

Liselott Alverdes

Setz- oder Spiegeleier

lassen sich am leichtesten in der Spiegeleierpfanne bereiten. Jedoch auch in jeder anderen Pfanne können Setzeier gebraten werden. Man zerlässt Butter in einer Pfanne oder gibt in jede Vertiefung der Setzeierpfanne etwas Butter und schlägt zum Schluß die Eier, sobald die Butter in die Höhe steigt, hinein. Danach lässt man sie solange über kleinem Feuer stehen, bis das Weiße fest ist. Nun kommt auf jedes Eigelb noch eine Prise Salz. Jetzt werden die Eier vorsichtig mit einem breiten Pfannenmesser auf eine Schüssel gelegt, mit gebackener Petersilie garniert und sogleich angerichtet.

Ich koche für Dich; Liselott Averdes; F. W. Peters Verlag GmbH; Berlin; ohne Jahresangabe, aber in Fraktur gesetzt und von der Vaterländischen Verlags- und Kunstanstalt in Berlin gedruckt, also sicher nicht zeitgenössisch.

Hervé This-Benckhard

Nehmen wir ein einfaches Beispiel, das Spiegelei. Sein Wasser birgt keine Überraschungen, es verhält sich normal. Ab einer Temperatur von etwa 100 Grad geht es in Dampf über; eventuell bilden sich Blasen. Die Proteinmoleküle hingegen erscheinen wie lange, vielfach gewundene Fäden, deren Struktur durch schwache intramolekulare Bindungen zwischen den Atomen bedingt ist. Beim Erhitzen brechen diese Bindungen; dank der Wärme treffen sie schon bald auf andere vereinsamte Kollegen, mit denen sie sich zusammentun können, selbst wenn sie nicht zum selben Molekül gehören. Wenn die Temperaturen im Spiegelei ansteigt, beginnen die Proteinknäuel also zunächst Ketten zu bilden (sie wickeln sich noch nicht auseinander; das Eiklar bleibt durchsichtig); dann baut sich ein Netz auf, dessen Maschen aus mehreren Proteinen bestehen. Es ist lichtundurchlässig, opak: Das Ei ist weich gekocht. Erhitzt man es weiter, so entrollen sich die Knäuel vollends, und das Wasser verdampft. Jetzt verbinden sich die Atome, die zuvor an Wasser gebunden waren, untereinander, so daß die geronnene Masse fest wird. Dieser Prozeß ist irreversibel: Die Weichheit und Elastizität eines richtig zubereiteten Spiegeleis sind unwiderbringlich dahin. Und die Moral? Man nehme die Spiegeleier vom Feuer, sobald ihr Eiklar dick und opak geworden ist. Jenseits dieser Grenze werden sie zu hart.

Rätsel der Kochkunst; Hervé This-Benckhard; Piper Verlag GmbH, München; 1988.